Blickpunkt EZB: Viel Lärm um nichts

Die EZB bleibt den 25 Basispunkten treu und entschied sich gegen eine größere Senkung der Leitzinsen. Der Inflationsausblick wurde bestätigt, wenngleich der Wachstumsausblick nach unten revidiert wurde. Eine Rezession sieht die EZB aber nicht und so will man die Leitzinsen graduell auf ein neutrales Niveau führen. Dies sollte unserer Meinung nach im ersten Halbjahr 2025 gelingen.

Der EZB-Rat entschied sich für die vorsichtigere Variante und reduzierte die drei EZB-Leitzinsen um 25 BP. Der Einlagesatz liegt nun bei 3 % und der Hauptrefinanzierungssatz bei 3,15 %. Insbesondere aufgrund der sich abschwächenden Konjunktur-Vorlaufindikatoren liebäugelten einige Mitglieder des EZB-Rats mit einem größeren Zinsschritt um 50 BP. Auch am Finanzmarkt wurde ein größerer Zinsschritt zuletzt debattiert. Die heutige Entscheidung wurde aber schlussendlich einstimmig getroffen.

Im geldpolitischen Beschluss fällt eine Änderung auf. Der Satz, dass "die Leitzinsen so lange wie erforderlich ausreichend restriktiv", gehalten werden, wurde aus dem geldpolitischen Beschluss entfernt. Könnte das heißen, dass man ein neutrales Zinsniveau nun doch rascher mit Zinssenkungen um 50 BP erreichen möchte? Wir denken nicht. Im Zuge der Pressekonferenz betonte Lagarde, dass dies den bereits erfolgten Zinssenkungen geschuldet ist und dem nun geänderten Rahmenbedingungen. Der Inflationsausblick ist nicht mehr mit einseitigen Risiken behaftet, sondern wird als ausgeglichen angesehen. Uns erscheint, dass Lagarde von Zinssenkungen um 50 BP Abstand nimmt. Auch wenn das neutrale Zinsniveau in dieser Zinssitzung nicht diskutiert wurde, gab Lagarde schlussendlich doch eine Bandbreite bekannt: 1,75 - 2,5 %. Hält man also am aktuellen Tempo des Zinssenkungpfads fest, wird man im März den oberen Rand dieser Bandbreite erreichen. Ein rascheres Vorgehen wäre unserer Meinung nach nur dann gerechtfertigt, wenn sich Rezessionsrisiken – und damit einhergehende Disinflationsrisiken – manifestieren. Eine "nur" neutrale Geldpolitik würde den konjunkturellen Rahmenbedingungen dann nicht mehr gerecht werden.

Eine Rezession erwartet die EZB aber eben nicht, auch wenn der Ausblick für das BIP-Wachstum etwas nach unten revidiert wurde. Im vierten Quartal 2024 erwartet die EZB eine Verlangsamung des Wachstums, was ein BIP-Wachstum von 0,7 % für das Gesamtjahr 2024 impliziert. In 2025 erwartet die EZB ein Wirtschaftswachstum von 1,1 % (zuvor 1,3 %). Beim Inflationsausblick gab es fast keine Änderungen. Die Gesamtrate wurde für 2024 und 2025 auf 2,4 % und 2,1 % um 0,1 %-Punkte reduziert. Die Kernrate blieb für diese Jahre unverändert bei 2,9 % und 2,3 %. Man zeigt sich erfreut, dass die bereits sechste Prognoserunde ein Erreichen des Inflationsziels im Jahr 2025 zeigt. Die Zuversicht das Inflationsziel hat somit stetig zugelegt. Nichtdestotrotz betonte Lagarde in der Pressekonferenz, dass man noch nicht am Ende des Weges angelangt ist. Insbesondere die heimische Inflation, welche vor allem auf Dienstleistungspreise beruht, ist mit 4,2 % p.a. nach wie vor erhöht, was auch für das Lohnwachstum gilt. Die eingeschlagene Richtung stimmt die EZB aber zuversichtlich.

Für den Finanzmarkt war der gewählte Fokus schlussendlich eine hawkische Überraschung. Die gepreisten Inflationserwartungen betonen sehr klar Abwärtsrisiken für die Inflation, was Lagarde nur wenig Platz einräumte. Somit tendierten Rendite nach einer kurzen Phase des Rückgangs leicht nach oben.

Abseits der Leitzinsentscheidungen gilt es auch zu erwähnen, dass mit Ende des Jahres die EZB keine Reinvestitionen ihres Anleihebestandes mehr vornimmt. Nach dem Ende der Reinvestitionen im APP trifft dies nun auch auf PEPP zu. Der Bilanzabbau der EZB wird somit 2025 wieder mehr an Fahrt aufnehmen und die Staaten müssen für ihre Anleihe-Emissionen abseits der EZB vermehrt nach Investoren suchen. Bis jetzt ist es zu keinen Verwerfungen auf dem Finanzmarkt gekommen. Nichtdestotrotz sind Rendite-Risikoaufschläge auf €STR OIS auch von sicheren Emittenten wie Deutschland zuletzt gestiegen, was zumindest teilweise auf die geringeren EZB-Käufe zurückgeführt werden könnte.

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Franz ZOBL

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Franz ist seit 2020 im Team Economics, Rates, FX bei Raiffeisen Research tätig und beschäftigt sich federführend mit US-Geldpolitik, Benchmark Renditen und EUR/USD. Als Volkswirt blickt er auf einige Jahre Berufserfahrung im Finanzsektor zurück. Er hält einen PhD von der London School of Economics und hat an der Wirtschaftsuniversität Wien, der Universität Wien sowie der Universität Tilburg studiert. Er ist Autor wissenschaftlicher Artikel im Bereich der Makroökonomie und hegt eine Leidenschaft für Wirtschaftsgeschichte.