Blickpunkt EZB: Nicht die letzte Zinssenkung

Der EZB-Rat entschied sich wie erwartet die Leitzinsen erneut um 25 Basispunkte zu senken. Der Einlagesatz liegt somit bei 2,75 %. Weiters bleibt man dem datengetriebenen Ansatz treu, stellt sich nicht gegen weitere Zinssenkungen, äußert sich aber auch nicht zum finalen Leitzinsniveau. Gegeben unserer Einschätzung einer rückläufigen (Dienstleistungs-) Inflation und konjunktureller Abwärtsrisiken gehen wir von weiteren Zinssenkungen auf Sicht der nächsten Monate aus und sehen den Einlagesatz im Juni bei 2 %.

Eurozone: Inflation innerhalb der Erwartungen - Konjunktur mit strukturellen Abwärtsrisiken

Quelle: LSEG, Citi, RBI/Raiffeisen Research

Der EZB-Rat entschied sich wie erwartet die Leitzinsen erneut um 25 BP zu senken. Der Einlagesatz liegt somit bei 2,75 %, der Hauptrefinanzierungssatz bei 2,90 % und der Spitzenrefinanzierungssatz bei 3,15 %. Seit dem Start der Zinssenkungen im Juni letzten Jahres wurde der Einlagesatz um 125 BP gesenkt. Es ist davon auszugehen, dass weitere Zinssenkungen folgen. Wie viele es sein werden bleibt jedoch mit Unsicherheit behaftet.

Im geldpolitischen Beschluss gab es nur wenig Veränderung. Wichtige Bausteine wie, "der Disinflationsprozess schreitet gut voran" und "die Finanzierungsbedingungen [sind] nach wie vor restriktiv" blieben erhalten, was weitere Zinssenkungen nahelegt. Denn die "Wirtschaft hat weiterhin Gegenwind", so die EZB. Die EZB betont aber schon länger die konjunkturellen Abwärtsrisiken und die heutigen BIP-Zahlen werden diese Sichtweise weiter nähren. Die Wirtschaft der Eurozone stagnierte im vierten Quartal 2024. Die EZB zeigt sich zwar optimistisch, dass der "Gegenwind allmählich nachlässt", die nur marginal besseren PMIs zum Jahresauftakt legen dies aber nicht zwingend nahe und legt den Fokus auf "allmählich". Aus konjunktureller Perspektive sehen wir daher die Fraktion im EZB-Rat, die sich für weitere Zinssenkungen stark macht, mit Rückenwind. Dies wird weiters durch die Tatsache unterstützt, dass die Inflation im Dezember leicht über den Erwartungen lag, was die EZB offensichtlich nicht in ihrer Inflationsmeinung beunruhigt, richtigerweise denken wir.

Auf der Pressekonferenz wurde Lagarde schließlich etwas deutlicher. Die EZB-Präsidentin betonte nochmals klar, dass das aktuelle Leitzinsniveau als restriktiv erachtet wird. Es gab keine Diskussion über das neutrale Zinsniveau, so Lagarde. Beide Aspekte machen klar, dass weitere Zinssenkungen bevorstehen. Auch Lagardes Einschätzung zum Inflationsverlauf kann als optimistisch beschrieben werden, selbst bei noch erhöhter Dienstleistungspreisinflation. Alle Indikatoren, die der EZB zur Verfügung stehen, deuten auf sinkendes Lohnwachstum in 2025 hin, was zu einem Rückgang der Dienstleistungspreisinflation führen sollte. In Summe muss man aber feststellen, dass die Pressekonferenz keine nennenswerten neuen Informationen lieferte, sondern viel mehr bestehende Sichtweisen erhärtete.

Am Finanzmarkt reagierten Zinsmärkte bereits auf die Konjunkturenttäuschung am Vormittag mit rückläufigen Renditen und der Euro wertete ab. Diese Tendenzen wurde durch die EZB-Sitzung bestätigt aber nicht weiter befeuert, auch wenn die Währung aufgrund der zwischenzeitlichen Veröffentlichung des US-BIPs volatiler war.

Unsere EZB-Prognose von drei weiteren Zinssenkungen um jeweils 25 BP bis Juni 2025 sehen wir durch die heutige Zinssitzung nicht beeinflusst.

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Franz ZOBL

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Franz ist seit 2020 im Team Economics, Rates, FX bei Raiffeisen Research tätig und beschäftigt sich federführend mit US-Geldpolitik, Benchmark Renditen und EUR/USD. Als Volkswirt blickt er auf einige Jahre Berufserfahrung im Finanzsektor zurück. Er hält einen PhD von der London School of Economics und hat an der Wirtschaftsuniversität Wien, der Universität Wien sowie der Universität Tilburg studiert. Er ist Autor wissenschaftlicher Artikel im Bereich der Makroökonomie und hegt eine Leidenschaft für Wirtschaftsgeschichte.