Perspektiven: Österreich – Hohe Inflation, heiße Herbstlohnrunde?

Auch in Österreich ist die Inflation zuletzt nach oben geschnellt. Als kurzfristiger Inflationstreiber erweisen sich wie andernorts die Energiepreise. Die strukturell höhere Teuerung als in der Eurozone ist hingegen maßgeblich den Dienstleistungen geschuldet, und hier in erster Linie den Preisen in der Hotellerie und Gastronomie. Die erhöhte Teuerung im laufenden und die inflationären Unsicherheiten (auslaufende USt-Senkung, absehbare CO2-Bepreisung) für das kommende Jahr werden die anstehende Herbstlohnrunde entscheidend prägen.

Teuerung im Herbst über 3 %

Österreich ist keine Insel. Externe Faktoren sind somit auch in Österreich für den sich in den letzten Monaten vollzogenen deutlichen Inflationsanstieg verantwortlich. So übersprang die Inflationsrate in Österreich im August gemäß vorläufiger Veröffentlichung von Statistik Austria mit 3,1 % im Jahresvergleich die 3 % Marke. Damit hat die Teuerungsrate den höchsten Stand seit Dezember 2011 erreicht. Natürlich sind für den Anstieg Basis- und Öffnungseffekte maßgeblich, wie schon seit dem 2. Quartal. Aufgrund der internationalen Rohstoff- und Vorproduktpreise und der Basiseffekte dürften die Verbraucherpreise ihre höchste Steigerungsrate im 4. Quartal erreichen. Aufgrund der niedrigen Teuerungsraten von +1,3 % im letzten Jahresviertel 2020, maßgeblich getrieben durch die damals implementierten neuerlichen shutdowns/lockdowns liegen die Indexwerte vergleichsweise tief. Selbst stagnierende Ölpreise zwischen USD 70 und 75 und stabile Rohstoffpreise inklusive agrarischer Produkte werden zu einem weiteren Anstieg der heimischen Teuerungsrate im Oktober/November 2021 führen. Aus heutiger Sicht können dann +3,5 % erreicht werden. Dafür spricht auch der starke Anstieg der Produzentenpreise mit zweistelligem Anstieg und auch die Baukostenverteuerung von über 13 %. Spätestens ab dem März 2022 sollte sich aber die Rate der Verbraucherpreise wieder spürbar zurückbilden. Unsere Schätzung für den Jahresdurchschnitt 2021 liegt bei 2,6 % (2020: 1,4 %), 2022 erwarten wir einen schrittweisen Rückgang, sodass wir im Jahresdurchschnitt bei rund 2,0 % landen. Damit dürfte die Teuerung weiterhin höher ausfallen als in der gesamten Eurozone. Die in den letzten Jahren zu beobachtende Inflationsdifferenz gegenüber der Währungsunion ist dabei im Allgemeinen den administrierten Preisen und jenen bei Dienstleistungen und im Speziellen den Preisen in der Hotellerie und Gastronomie geschuldet.

Zwei Unsicherheitsfaktoren für Teuerung 2022

Allerdings gibt es zwei Unsicherheitsfaktoren, die die Inflationsrate 2022 maßgeblich beeinflussen werden: 1) die Rücknahme der ermäßigten Umsatzsteuersenkung auf 5 %, die am Jahresende 2021 ausläuft, und 2) die von Vizekanzler Kogler angekündigte CO2-Steuer ab 2022. Da die vorübergehende USt-Senkung als Hilfe für die Unternehmen gedacht war, hat sie auch keine preissenkende Wirkung ab Juli 2020 entfaltet (Im Gegensatz zur USt-Senkung in Deutschland). Ob die USt-Anhebung auf 10 % daher zu Preiseffekten führt, ist offen. Immerhin beträgt der Anteil der Waren und Dienstleistungen von Tourismus, Kultur, Sport, Bildung rund 15 % des gesamten Warenkorbes, ist also nicht unerheblich. Hinsichtlich der Einführung einer CO2-Steuer wird von einem Einführungspreis von EUR 25/Tonne gesprochen. Das entspricht genau den Werten, die Deutschland 2021 für Verkehr und Gebäude implementiert hat. Die daraus resultierenden Effekte auf den Verbraucherpreisindex hat der deutsche Sachverständigenrat in einem Gutachten mit +0,5 Prozentpunkten im ersten Jahr an direktem preiserhöhendem Effekt und mit zirka einem Prozentpunkt inklusive indirekter Auswirkungen berechnet. Sollte also die CO2-Steuer ähnlich konzipiert sein wie in Deutschland, dann würde das inklusive der USt-Rückführung einen Aufschlag auf die Konsumentenpreis-Schätzungen von rund 0,7 bis 1,0 Prozentpunkte bedeuten. Bei der CO2-Steuer kommt es darauf an, ob sie wie in Deutschland dann jährlich einen höheren Betrag ansetzt, und mit leichter Degression dann auch in Zukunft auf den Verbraucherpreisindex einwirkt.

Österreich: Metallerlohnrunden und vorangegangene Teuerung (% p.a.)
Quelle: Statistik Austria, diverse Quellen, Raiffeisen Research
* Relevante Inflation: Durchschnitt (% p.a.) September d. Vorjahres – August d. laufenden Jahres; ** KV-Abschluss im Herbst des jeweiligen Jahres (für das Folgejahr)

Metalllohnrunde während ansteigender Teuerung

Was bedeutet die aktuelle und absehbare Inflationsdynamik für die am 23. September 2021 startenden Lohnverhandlungen in der Metallindustrie? Die genannten Unsicherheitsfaktoren hinsichtlich der Inflationsrate für 2022 dürften als weitere Argumente für stärkere Lohnerhöhungen dienen. Mit 1,45 % war im vergangenen Jahr der COVID-19 Pandemie Rechnung getragen worden. Diesmal wird es einen deutlich höheren Abschluss geben, zumindest wenn man die Äußerungen der Gewerkschaftsvertreter verfolgt. Normalerweise wird die Inflationsrate der letzten 12 Monate für die Verhandlungen der Metaller zur Grundlage der Lohnabschlüsse genommen. Dies wäre die Periode von September des Vorjahres bis August des laufenden Jahres. Der Durchschnitt für die jüngste 12 Monatsperiode ist mit den vorläufigen Augustzahlen auf 1,9 % angestiegen. Vergleicht man nun diese Teuerung mit der Ausgangsposition der vergangenen Jahre, in denen die Teuerung ebenso leicht unter der 2 %-Marke gelegen ist, dann würde das einen Abschluss von 2,8 % bis ca. 3,2 % nahelegen. Da die CO2-Besteuerung erst im Rahmen der Budgeterstellung im Laufe des Monats Oktober durchsickern dürfte, könnte sich die Verhandlungsdauer im Herbst 2021 etwas mehr in die Länge ziehen. Ein Abschluss bis an die 3 % Marke würde aber im Metallsektor noch verkraftbar sein. Hier liegt die Produktivitätsrate stets deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt. Außerdem dürften die Unternehmen auch 2022 einen besseren Preisüberwälzungsspielraum als in der Vergangenheit haben, sodass sie mit solchen Lohnerhöhungen noch leben können.


Produktivität & Stundenlöhne nach Branchen (% p.a., Durchschnitt 2013-2019)*
Quelle: Refinitiv, Raiffeisen Research
* auf Basis sektoraler Bruttowertschöpfung sowie Stunden- und Lohnvolumen gemäß VGR

Produktivitätsunterschiede rechtfertigen unterschiedliche Lohnabschlüsse

Aufgrund der Beispielfunktion der Metallabschlüsse wird es interessant, wie die anderen weniger produktivitätsfortschrittlichen Sektoren ihre Positionen beziehen werden. Hier sind klarerweise geringere Lohnabschlüsse – möglicherweise wieder einkommensmäßig gestaffelt – zu erwarten. Mit 2,0 bis 2,5 % im Schnitt könnte ein wirtschaftsverträgliches Lohnabkommen angestrebt werden, das auch den Arbeitnehmern für 2022 einen Reallohnanstieg auf Basis der bestehenden Prognosen (ohne CO2-Steuer) bescheren könnte. Lohnanstiege und bessere Möglichkeiten der Preisüberwälzungen dürften Österreich auch in Zukunft über dem Euro-Schnitt liegende Verbraucherpreisanstiege bescheren.

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Peter BREZINSCHEK

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Peter Brezinschek ist seit 1985 Chefanalyst der Raiffeisen Bankengruppe in Österreich. Von 1999 bis 2020 war er globaler Leiter von Raiffeisen Research. Er gründete 1992 die CEE-Analysetätigkeit in Österreich und lokal in Osteuropa. Seit 2002 hat er alle Wirtschafts- und Finanzanalyse der Raiffeisen Bankengruppe unter dem Namen „Raiffeisen Research“ gebündelt. Er hat an mehreren Fachbüchern als Ko-Autor mitgewirkt und tritt regelmäßig als Vortragender zu Wirtschaft und Finanzmarktthemen öffentlich auf. Seit 20 Jahren ist er als Experte im österreichischen Fiskalrat tätig. Schwerpunktinteresse sind die Ordnungs- und Wirtschaftspolitik im Zusammenhang mit Klimaschutz, Konjunktur sowie Geld- und Fiskalpolitik. Privat betreibt er gerne mehrere Sportarten um die Natur zu genießen und fit zu bleiben. Großes Anliegen ist die Finanzierung von Baumpflanzungen in Wien.

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Matthias REITH

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Matthias Reith blickt auf mehr als 10 Jahre Erfahrung bei Raiffeisen Research zurück. Damals wie heute ist er verantwortlich für die Analyse der österreichischen Volkswirtschaft, im Jahr 2020 hat er zudem maßgeblich das österreichische Bundesländer-Immobilienresearch mit aufgebaut. Ferner befasst sich Matthias Reith mit anderen Euroländern sowie der gesamten Eurozone und nimmt dabei neben der Konjunktur insbesondere die Fiskalpolitik ins Visier. Matthias Reith kann neben regelmäßiger Vortragstätigkeit auch mehrjährige Unterrichtserfahrung vorweisen. Wandern zählt zu seinen Hobbys, das Land seiner schwerpunktmäßigen Analyse hat Matthias Reith zu Fuß von Ost nach West durchquert.