Perspektiven: Vor und zurück im CEE-Bankgeschäft ... plus Geopolitik

Ein dramatisches Jahr für Europa und das CEE-Bankwesen brachten eine gemischte Bilanz. Kräftige Zinserhöhungen haben die Rentabilität der CEE-Banken in CE/SEE gestärkt, während die Auswirkungen des Krieges und der Sanktionen Ökonomien und Banken in Osteuropa Schwierigkeiten bereiten. Für 2023 ist kein ruhiges Fahrwasser zu erwarten, da die Konjunkturabschwächung, steigende Finanzierungskosten und staatliche Abgaben/Interventionen die Ertragsseite beeinträchtigen dürften. Trotz drastischen Abbaus von Engagements und/oder Marktausstiegen sind einige westliche CEE-Banken noch direkt vom Krieg und den Sanktionen in der Ukraine und Russland betroffen. Dennoch sind wir der Meinung, dass die wichtigsten CE/SEE-Bankensektoren gut positioniert sind, um 2023 ein schwierigeres Umfeld zu meistern.

Ironischerweise haben grenzüberschreitend tätige regionale CEE-Banken ex-post noch mehr und indirekt von der COVID-19-Krise profitiert, als wir letztes Jahr dachten. Die starke und politisch unterstützte Kreditexpansion in CE/SEE der letzten Jahre, wo westliche Akteure viel größere Marktanteile haben als in Russland, hat noch mehr dazu beigetragen, dass die osteuropäischen Anteile am CEE-Bankgeschäft (durch starkes Wachstum anderswo) in den letzten Jahren (inkl. 2020 & 2021) auf ein krisenverträgliches Maß gesunken sind. Der Russland-Anteil in den CEE-Exposures ist von knapp 12% auf unter 9 % gefallen. Derweil profitierten CEE-Banken von der mutigen geldpolitischen Straffung in CE/SEE. So weit so gut, denn der solide und breit angelegte Post-Corona-Aufschwung der europäischen Wirtschaft ist durch den Ukraine-Krieg zum Erliegen gekommen. Insofern denken wir, dass man die sehr positive Entwicklung des CE/SEE-Bankensektors der Jahre 2021/2022 nicht einfach extrapolieren kann. Dies gilt umso mehr, als die unterstützenden Wirkungen drastischer Zinserhöhungen in CE/SEE abklingen. Insofern sehen wir einen vorsichtig-optimistischsten Ausblick für den Bankenmarkt. Es gibt Herausforderungen bei der Refinanzierung, den Refinanzierungskosten, der Kapitalpuffer bzw. wir sehen partiell ein Gesamtumfeld, das ein wenig an die herausfordernden Jahre 2012/2013 im CE/SEE-Bankgeschäft erinnert. Wir werden in diesem Überblicksartikel auf Kernthemen für das CEE-Bankgeschäft eingehen und uns dabei auf unseren jährlichen Flaggschiff-Bericht "CEE Banking Sector Report" (in englischer Sprache, nur für registrierte Kunden verfügbar) stützen.

Zinsmargen - wie lange kann die "Geldkuh" noch gemolken werden?

Insgesamt sehen wir, dass die CEE-Bankensektoren im Jahr 2022 sowohl Schwankungen als auch Umwälzungen erlebten, wobei die immensen Belastungen für das Geschäft im osteuropäischen Raum durch die positiven Auswirkungen der höheren Zinssätze in den Nicht-Euro-Märkten in CE/SEE auf die Zinserträge ausgeglichen werden. Dennoch wird der abschwächende Konjunkturzyklus seine Spuren in der Dynamik des CEE-Bankgeschäfts hinterlassen. Der übergreifende ertragsfördernde Faktor der hohen Zinssätze könnte sich in den größten Nicht-Euro-Märkten in CE/SEE zwar bis weit in das Jahr 2023 hinein fortsetzen (und in den Euro-Ländern noch stärker zum Tragen kommen), aber die CEE-Banken werden auch mehr Risikofaktoren in ihr Geschäft einbeziehen müssen. Dazu gehören eine stärkere Konzentration auf Kreditrisiken, Kostendruck im Zusammenhang mit der hohen, hartnäckigen und teils zweistelligen Inflation in CE/SEE und zusätzliche staatlichen Abgaben (einschließlich "Überertragssteuern") sowie Nachholbedarf bei den Finanzierungskosten. Zu letzterem gehört eine Verlagerung der Kundeneinlagen hin zu Termingeldern, steigende Kredit-Einlagen-Relationen plus schwierigere/teure Refinanzierung am Kapitalmarkt (inkl. der "MREL-Finanzierungsherausforderung" für EU-Länder). Nichtsdestotrotz sehen wir den CE/SEE-Kernbankensektor gut aufgestellt, um ein holprigeres Jahr 2023 zu überstehen (z.B. liegen die NPL-Quoten auf Mehrjahrestiefs), während sich große CEE-Banken wahrscheinlich weiter an geopolitische Realitäten anpassen werden.

Eigenkapitalrendite (RoE, %)
Aktivagewichtet
* Endpunkt EE 10M 2022 mit RoE von -4.2% (RU), +5.8% (UA), +12.7% (BY)
CE-3: CZ,HU,SK; SEE: RO,BG,HR,RS,BH,AL,KO; EE: RU,UA,BY
Quelle: nationale Quellen, RBI/Raiffeisen Research
Netto-Zinsmarge (%)*
Aktivagewichtet
* Netto-Zinseinkommen/Durchschn. Gesamtaktiva
CE: PL,CZ,HU,SK; SEE: RO,HR,RS,BH,AL,KO
Quelle: EZB, IWF, nationale Quellen, RBI/Raiffeisen Research

Was die CE/SEE-Bankenmärkte betrifft, so hat der rasante Leitzinsanstieg die Nettozinserträge gestärkt und damit die kräftige Erholung der Bankensektor-Rentabilität nach der COVID-Zeit mit einem Anstieg der Eigenkapitalrendite auf 12-14 % im Laufe des Jahres 2022 gefestigt. In dieser Hinsicht waren die Zentralbanken die treibende Kraft, wenn es um die Rentabilitätskriterien der Geschäftsbanken im Jahr 2022 geht. Dies gilt insbesondere für die größten CE/SEE-Märkte, in denen die Banken von den steil und rasch ansteigenden Leitzinsen profitiert haben. Die durchschnittlichen geldpolitischen Zinssätze in CE/SEE (d. h. in Ländern mit aktiver und unabhängiger Geldpolitik) liegen derzeit bei über 9 % und damit höher als vor der globalen Finanzkrise und zu Zeiten des "Bonanza-Booms" in den CE/SEE-Bankenmärkten. Im Wesentlichen bestätigt die jüngste positive Ertragsentwicklung einen Teil der klassischen Beziehung zwischen Geldpolitik und Rentabilität der Banken, nämlich den positiven Zusammenhang zwischen kurzfristigen (Leit-)Zinsen und Kreditmargen. Von einem anderen Faktor in dieser Gleichung — der Laufzeitstruktur der Zinssätze — wurden die regionalen Geschäftsbanken, trotz der vorherrschenden Inversion der Zinsstrukturkurven regionaler Benchmark-Staatsanleihen, bisher kaum negativ getroffen. Dies ist konservativen Refinanzierungsprofilen zu verdanken, die von kostengünstigen und wenig volatilen Girokonten dominiert werden, die eine hohe Trägheit bei den gemischten Refinanzierungskosten auf der Einlagenseite begünstigten. Die Erträge der Aktivaseite passten sich unterdessen schneller an, was unter anderem auch auf die Adjustierung bei variabel verzinslichen Darlehen zurückzuführen war.

Es handelt sich wahrscheinlich noch nicht um einen umfassenden Umstieg, aber die Verschiebung der Kundeneinlagen hin zu höher verzinsten Termingeldern ist im Gange, auch wenn kostengünstige Sichteinlagen weiterhin hier das Kernprodukt sind. Betrachtet man beispielsweise Tschechien, Ungarn und Rumänien, so haben Termineinlagen im Neugeschäft seit Anfang 2022 etwa 5-7 % der Giro-/Tagesgeldkonten im Haushaltssegment verdrängt. Auf den ersten Blick scheint sich die Zusammensetzung der Einlagen nur geringfügig zu ändern, doch die Auswirkungen auf die Gesamtkosten der Einlagenfinanzierung sind nicht unerheblich, wenn man die großen Unterschiede bei den angewandten Zinssätzen berücksichtigt. Während die Marktzinsen für Tagesgeldkonten in den betreffenden Ländern praktisch noch bei Null liegen, liegen die Kosten für neue Termineinlagen in Landeswährung mit einer Laufzeit von <1 Jahr im mittleren einstelligen Bereich. Letzteres ist mit die teuerste Kategorie in der Zinsstruktur, was die inversen Benchmark-Renditekurven auf den lokalen Finanzmärkten widerspiegelt.

Ein interessanter Punkt, den wir aus einer längerfristigen Betrachtung ableiten, ist, dass die Übertragung der Leitzinsanstiege auf die Margen der Banken nun begrenzter zu sein scheint als in der Vergangenheit. So stellte die jüngste Erholung der Nettomargen nur eine marginale Bewegung im Vergleich zu den Leitzinsen der Zentralbanken dar, die sich weitgehend dem Niveau von 2008/2009 angenähert haben (und in einigen Fällen sogar darüber liegen). Wir führen dies auf das veränderte Geschäftsumfeld zurück, das von einer höheren Marktdurchdringung und einem stärkeren Wettbewerb (inklusive der Digitalisierung) geprägt ist. Wir gehen davon aus, dass diese Umfeldfaktoren eine weitere Ausweitung der Margen verhindern werden, während einige wichtige CE/SEE Notenbanken aus lokalem geldpolitischen Blickwinkel im Begriff sind ihren Zinserhöhungszyklus zu beenden (Polen, Tschechien, Ungarn).

Regionalen Herausforderung MREL-Finanzierung und Lastenteilung in "Lebenshaltungskostenkrise"

Obwohl die Kernmärkte in CE/SEE im Durchschnitt immer noch ein Kredit-Einlage-Verhältnis von weniger als 80 % aufweisen, ist die Refinanzierungssituation im Vergleich zu den letzten Jahren ungünstiger geworden. Zusammen mit einem gewissen Nachholbedarf bei der Einlagenbepreisung wird das Refinanzierungsprofil der CEE-Banken nun auch durch die erforderliche Emission von MREL-Kapitalmarktinstrumenten herausgefordert. Im Gegensatz zu den westlichen Märkten erwies sich der östliche Teil der EU als zögerlich-langsamer bei der Umsetzung der Bail-in-Regelung, sowohl auf nationaler als auch auf Einzelbankenebene. Infolgedessen laufen die Banken nun in die Falle einer allgemein erhöhten Volatilität der Kapitalmärkte und unsicherer Kreditaufnahmebedingungen in Verbindung mit einer kurzen Zeitspanne bis zu den endgültigen rechtsverbindlichen MREL-Zielen (1. Januar 2024). Im Prinzip haben die Banken einen gewissen Spielraum, was die Kapazität der lokalen Schuldtitelmärkte und die Unterstützung durch multilaterale Gläubiger angeht. Wir schätzen, dass allein die EBWE (EBRD) im Jahr 2022 mehr als 300 Mio. EUR in MREL-Anleihen (lokal und international) von Banken in CE/SEE investiert hat, was einer durchschnittlichen Beteiligungsquote von ca. 20 % entspricht. In der Tat werden MREL-Emissionen in Lokalwährung beispielsweise von tschechischen und rumänischen systemrelevanten Banken aktiv genutzt, wo sie sich oft sogar einen relativen Preisvorteil gegenüber dem internationalen Markt sichern können. Wir gehen davon aus, dass die polnischen Großbanken angesichts der Tiefe des lokalen Anleihemarktes eine ähnliche Strategie verfolgen werden. Allerdings gibt es nach wie vor kaum eine Alternative zum internationalen Eurobond-Markt, wenn es darum geht, größere Kapitalbeträge aufzunehmen. Internationale Investoren sind jedoch aktuell sehr viel anspruchsvoller, wenn es um das Risiko in CE/SEE geht. Daher müssen selbst etablierte Tochtergesellschaften europäischer MPE-Banken (Multiple Point of Entry Resolution Strategy) und etablierte lokale Akteure mit Investment-Grade-Rating derzeit erhebliche Spread-Aufschläge zahlen, um ein Kapitalmarkt-Refinanzierungsgeschäft abzuschließen.

Regionale Champions, Position österreichischer CEE-Banken und "geopolitisch" bedingter Rückzug Sberbank (Europa)

Aus regionaler Sicht übernahm die belgische KBC dank eines aktiven organischen Wachstums in Tschechien die führende Position unter den ausländischen und grenzüberschreitend tätigen Kreditgebern sowohl in Zentraleuropa (CE) als auch in der CE-3-Ländergruppe (CZ, HU, SK) von der Ersten Bank Gruppe. Auch die RBI rückte im CE-3-Ranking um eine Position auf Platz 4 vor (und überholte damit die SocGen, die der UniCredit dicht auf den Fersen ist), was auf Übernahmen in Tschechien und solides Wachstum in der Slowakei und Ungarn zurückzuführen ist. In SEE liegen UniCredit und Erste weiterhin vor den anderen Markakteuren. Interessant ist, dass es auch neue Herausforderer auf dem Markt gibt. Die großen österreichischen CEE-Banken Erste Bank und Raiffeisen Bank International führen weiterhin das regionale Ranking der größten CEE-Kreditinstitute an. Die belgische KBC-Gruppe, die Nummer drei, holt stark auf und ist nun wie bereits skizziert der größte Akteur in Zentraleuropa, während die ungarische OTP nun die fünftgrößte regionale CEE-Bank ist (noch hinter der UniCredit, aber vor der SocGen). Wir sehen die skizzierten Expansionsstrategien als Bestätigung der allgemeinen Attraktivität der regionalen Bankenmärkte für gut etablierte regionale Akteure. Die Markttrends in Osteuropa lassen sich aufgrund der derzeit eingeschränkten Offenlegung durch russische Banken (die letzten Sektordaten stammen vom Januar 2022) viel schwerer beurteilen. Bemerkenswert an den jüngsten Entwicklungen sind jedoch die Stärkung der Position der VTB aufgrund der von der Regierung genehmigten Übernahme der Bank Otkritie FC, der Rückzug von SocGen aus dem Kapital der Rosbank und die Verkleinerung der russischen Tochtergesellschaften von RBI und UniCredit (Schrumpfung der Kreditportfolien in Lokalwährung um 20-40 %). Je nach weiterer Rubel-Wechselkursentwicklung, möglicher weitererer lokaler Bilanzreduktion und/oder aktivem Exposureabbau (bis zum Marktverlassen), könnte der Fortgang der Russland-Geschäfte bei RBI und UniCredit das CEE-Bankenranking 2023 nochmals deutlich verschieben.

Gesamtaktiva CEE (EUR bn)
* 9M 2022 (RBI,Erste,OTP,SocGen,NLB) und H1 2022 (KBC,UniCredit); incl. angekündigte M&A Aktivitäten
Quelle: Firmendaten, RBI/Raiffeisen Research

Besonders hervorzuheben ist für das Jahr 2022 aus dem regionalen Bankenblickwinkel die aufsichtsrechtliche Schließung der Sberbank Europe Gruppe (ca. 11 Mrd. EUR Vermögenswerte in CE/SEE), die auf dem Markt für Aufsehen sorgte, indem sie die nationalen Abwicklungsrahmenwerke (sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU) auf die Probe stellte und auch zur M&A-Welle beitrug. Ironischerweise war die Gruppe bereits auf dem Weg zu einem geordneten Verkauf ausgewählter CEE-Tochtergesellschaften Ende 2021, doch scheiterten diese Transaktionen erstmal weitgehend, als die Krise der Bank und die Sanktionen im Februar/März 2022 einsetzten. Schließlich gab es unter den Erwerbern im Zuge selektiver Rettungsaktionen lokale Akteure, die in der Lage waren, eine rasche Übernahme-Entscheidungen zu treffen und damit Marktanteile zu gewinnen, darunter in Märkten wie Kroatien, Slowenien oder Bosnien und Herzegowina. Insgesamt sehen wir, dass die dringend benötigte Abwicklung der Sberbank Europe im Summe reibungslos verlaufen ist. Der (erzwungene) Rückzug der Sberbank trug dazu bei, dass sich das Gleichgewicht der Marktkräfte in den kleineren Märkten des Westbalkans zugunsten einheimischer Bankengruppen verschoben hat, was bereits in den letzten fünf Jahren zu beobachten war. Ansonsten hat der lebhafte Konsolidierungstrend in den größeren CE/SEE-Märkten die Beteiligungsquote ausländischer Marktteilnehmer 2021/2022 nicht wesentlich verändert, d.h. die jüngsten Umverteilungen und Kombinationen von Marktanteilen erfolgten größtenteils innerhalb der Gruppen entweder ausländischer oder lokaler Marktteilnehmer. Längerfristig gesehen ist Serbien hier eine Ausnahme, wo der Marktanteil ausländischer Banken in den letzten fünf Jahren aufgrund der Übernahmen lokaler Banken durch OTP und NLB deutlich auf über 75 % gestiegen ist. Entsprechend der regen Fusions- und Übernahmeaktivität in den letzten Jahren hat sich die Marktkonzentration (Top-5-Banken) in den größten CE/SEE-Märkten tendenziell erhöht, was wiederum bedeutet, dass es jetzt weniger "einfache" Optionen gibt, um Geschäftsanteile zu übernehmen, so dass bei der Auswahl künftiger Fusions- und Übernahmeziele ein umsichtigeres Vorgehen geboten ist.

Top-5 Banken Marktanteil
% Gesamtaktiva
* Q2 2022; ** Top3-Banken
Quelle: EZB, nationale Quellen, RBI/Raiffeisen Research
Marktanteil Auslandsbanken
% Gesamtaktiva
Quelle: EZB, nationale Quellen, RBI/Raiffeisen Research

Russischer und ukrainischer Bankensektor sowie Geopolitik

Russische Banken sahen sich 2022 mit Sanktionen konfrontiert, die strenger waren als erwartet, was dem Sektor zunächst insgesamt Verluste in ungeahnter Höhe bescherte. Gegenwärtig sind ca. 60 % des russischen Bankensektors vom SWIFT-System abgeschnitten ("De-Swifted"). Das Einfrieren von Vermögenswerten, von den USA, der EU oder dem Vereinigten Königreich verhängt, betrifft fast 80 % des russischen Bankensektors und führte im ersten Halbjahr 2022 zu einem hohen Verlust von 1,5 Mrd. RUB (~ 18 Mrd. EUR), der unter anderem auf die erzwungene Liquidierung von Derivatpositionen zurückzuführen ist. Nach Angaben der russischen Notenbank (CBR) hat sich der Verlust bis zum Oktober 2022 auf 400 Mrd. RUB (ca. 5,6 Mrd. EUR) verringert, aber wir gehen davon aus, dass der Sektor für das gesamte Jahr noch in den roten Zahlen bleiben wird. In der Ukraine nehmen die notleidenden Kredite zu, aber auch hier zahlen sich die Reformen der letzten Jahre aus. Es ist keine Überraschung, dass sich die Kreditqualität aufgrund des Krieges verschlechtert. Der Anteil der notleidenden Kredite im Bankensektor stieg in sieben Kriegsmonaten von 31,5 % auf 37,5 % im Unternehmenssektor und von 15,9 % auf 27,6 % im Haushaltssektor. Wir gehen davon aus, dass die notleidenden Kredite kriegsbedingt weiter ansteigen werden. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sie den nach der letzten Krise 2014-15 verzeichneten Höchststand von 55 % überschreiten werden, da die Zentralbank seitdem entschlossen und erfolgreich umfassende Reformen im Bankensektor durchgeführt hat.

Positiv zu vermerken ist, dass die geopolitischen Verwerfungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg keine existenzielle Bedrohung für die großen westlichen CEE-Banken darstellen, von denen einige auch in Russland aktiv sind. Wir führen dies auf vorsichtige regionale Marktstrategien zurück, die seit 2014/2015 umgesetzt werden. Seit 2014/2015 ist der Anteil Russlands und Osteuropas in den Portfolios der westlichen CEE-Banken von knapp über 20 % (2014/2015) auf unter 10 % gesunken. Geopolitische Blauäugigkeit ist hier nicht zu erkennen. Seit 2013/2014 haben westliche Großbanken ihre regionale Portfolioallokation so angepasst, dass eine signifikante geopolitische Eskalation im osteuropäischen Raum die Existenz regionaler CEE-Geschäftsstrategien nicht gefährdet.

Regionale Aufteilung CEE-Aktiva
% der Gesamtaktiva
CE: PL, HU, CZ, SK, SI; SEE: RO, HR, BG, RS, AL, BA; EE: RU, UA, BY
Quelle: BIZ, Firmendaten, RBI/Raiffeisen Research
Anteil EU Bankenmärkte (%)*
Aktiva westliche CEE Banken
* Aktuelle EU-Mitglieder: PL, HU, CZ, SK, SI, RO, BG, HR
Quelle: BIZ, Firmendaten, RBI/Raiffeisen Research
Anteil Russland (%)
Aktiva westliche CEE Banken
Quelle: BIZ, Firmendaten, RBI/Raiffeisen Research

Der CEE Banking Sector Report (verfügbar für registrierte Nutzer) ist eine etablierte Co-Creation und jährliche Flaggschiff-Studie von Raiffeisen Research. Einmal im Jahr analysiert das gesamte Raiffeisen Research-Team in CEE und Wien die Dynamik der Bankensektoren in der CEE-Region im Detail. Neben einer granularen Länderberichterstattung mit lokalem Bezug wurden auch heuer wieder Marktanteile, Bilanzsummen und Finanzkennzahlen der führenden (westlichen) grenzüberschreitenden CEE-Banken dokumentiert. Dasselbe gilt für die länderübergreifenden Trends bei Marktanteilen, Geschäftsdynamik, Vermögensqualität und Rentabilität.

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Gunter DEUBER

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Gunter Deuber leitet seit 1. Jänner 2021 den Bereich Volkswirtschaft und Finanzanalyse (Raiffeisen Research) in der Raiffeisen Bank International (RBI). Seit 2011 ist Gunter Deuber in leitender Position im Volkswirtschafts- und CEE-Research der RBI tätig und hat die Zusammenarbeit mit seinen Research-Kollegen in den Tochterbanken der RBI in CEE kontinuierlich ausgebaut. Seit Anfang der 2000er Jahre analysiert er Volkswirtschaften, Bankensektoren und Marktthemen mit Fokus auf CEE- und EU/Euro-Themen für die RBI in Wien, aber auch im internationalen (Investment-)Banking-Kontext in Frankfurt. Er präsentiert die Sicht von Raiffeisen Research und seines Analyseteams regelmäßig auf Investoren- und Kundenveranstaltungen. Er ist ein gefragter Redner auf zentralen Veranstaltungen der Finanz- und Bankenbranche und Gastlektor an mehreren Universitäten/Lehranstalten. Im Jahr 2019 wurde er für das IVLP (International Visitor Leadership Program) des US-Außenministeriums nominiert. Gunter hat mehrere Sammelbände zu Euro-/EU-Krisenthemen veröffentlicht und diverse Artikel in Fachzeitschriften und Branchenmagazinen publiziert. Außerhalb des Büros genießt Gunter das Reisen mit seiner Familie und das Langstreckenlaufen.

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Ruslan GADEEV

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Ruslan Gadeev ist Senior Financial Analyst im Fixed Income-Team bei Raiffeisen Research und deckt die Bankenmärkte in CEE ab. Vor seinem Eintritt in die Research-Abteilung im Jahr 2017 arbeitete Ruslan fünf Jahre lang in den Bereichen Unternehmensrisikomanagement und Kreditanalyse bei Citigroup und RBI. Außerhalb der Arbeitszeit hat Ruslans Familie Priorität, obwohl er in der seltenen Minute seiner Freizeit gerne Gitarre oder Schach spielt.